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Eine Entwicklung, die sich mit dem
Nachwuchs ergibt, sind die häufigeren Fahrten in die
brandenburgische Heimat. So verbrachten wir auch die erste
Hälfte unseres ersten längeren Familienurlaubs bei meinen
Eltern. Aus fußballerischer Sicht bietet sich nun auch wieder
ein verstärkter Fokus auf die Regionalliga-Nordost an. Immerhin
sollen irgendwann mal die einheimischen Ligen bis in die vierte
Ebene als komplettiert in meiner Vita stehen. Daher fassten wir
für den Sonntag den ersten von noch fünf derzeit fehlenden
Nordost-Grounds ins Auge. Aus der Fahrt ins sächsische Eilenburg
machten wir kurzerhand einen kleinen Familienausflug. Auf dem
Weg zum Stadion setzte ich Lynn, Alex und meine Mama in
Lutherstadt Wittenberg ab. Ich entzog mich indes der historisch
wichtigen und auch schönen Stadt an der Elbe und fuhr noch eine
knappe Stunde durch die Dübener Heide weiter Richtung Süden.
Dort liegt nordöstlich von Leipzig die 15.000-Einwohner-Stadt
Eilenburg.
Da es zeitlich nicht für einen Ausflug in
die sicherlich schmucke Stadt reichte, kann ich nur vom Stadion
und vom 1912 gegründeten und in blau und rot spielenden Verein
berichten. Der FCE bestritt in der vergangenen Saison seine
erfolgreichste Spielzeit und konnte in der mit großen
Traditionsvereinen gespickten Staffel knapp die Klasse halten.
Diese hoch anzurechnende Leistung der Nordsachsen dient vielen
kleineren Klubs im Nordosten als Vorbild. Zumindest betonten
dies die verantwortlichen des FC Hertha 03 aus
Berlin-Zehlendorf, dem heutigen Gast. Als Aufsteiger geht es für
die Kicker aus der Hauptstadt ebenfalls um nichts anderes als
den Klassenerhalt. Dass die Partie trotz ihrer Brisanz im
Abstiegskampf keine Zuschauerrekorde brechen wird, war indes
klar. Entsprechend einfach und entspannt verlief meine Ankunft
am außerhalb der Stadt gelegenen Ilburg-Stadion. Der Parkplatz
vor dem Gelände sollte sich nicht einmal zur Hälfte füllen und
die nur 300 Zuschauer spiegeln den provinziellen Charakter des
FCE ganz gut wider. Besonders schön ist es, wenn man zwischen
dem morbiden Charme aus Köstritzer Pils und Jagdwurst-Brötchen
mit Senf eines der besten Fußball-Spiele seit langem erlebt.
Ich positionierte mich auf der Gegengerade
des weitläufigen Stadions. Die Sicht war nahezu überall recht
bescheiden, da eine Laufbahn und ein zusätzlicher Grünstreifen
die Zuschauerränge vom Geschehen trennten. Trotzdem hatte ich
einen guten Blick auf den ersten Treffer des Tages, der bereits
nach zwei Minuten fiel. Zehlendorfs Bocar köpfte eine
Standard-Flanke gekonnt zur Führung der Gäste ein. Eine
Viertelstunde später profitierte der schnelle Stürmer auch vom
ausrutschenden Schnapper, umkurvte diesen und trug sich ein
zweites Mal in die Torschützen-Liste ein. Ein Elfmeter brachte
den Gästen Mitte der ersten Halbzeit den Anschlusstreffer.
Während ich mich nach 45 Minuten ein wenig der Sonne entzog und
im Schatten verweilte, wurden beide Teams in der Kabine
scheinbar auf Angriff eingepeitscht. Eilenburg glich schnell aus
(57.), geriet durch Dreierpacker Bocar wieder in Rückstand (79.)
und glich nur zwei Minuten später erneut aus. Zwei Platzverweise
später, je einer auf beiden Seiten, war das Feld für einen
epischen Showdown bestellt. In der ausladend langen
Nachspielzeit gehörte das letzte Wort Eilenburgs Niemitz, der
dieser verrückten Begegnung in der 97. Minute mit einem
mächtigen Strahl aus der zweiten Reihe die Krone aufsetzte. Der
4:3-Sieg hievte den FCE wieder über den Strich und lässt das
„gallische Dorf“ vom zweiten Klassenerhalt in Folge träumen.
Schön war’s!
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